Die Cerrado-Region: Brasiliens unterschätztes Naturparadies

Du planst deine nächste Brasilien-Reise und denkst dabei automatisch an den Amazonas, die Copacabana oder die Iguazú-Wasserfälle? Dann wird es Zeit, dass du die Cerrado-Region auf deinem Radar hast – eine der faszinierendsten und gleichzeitig am meisten unterschätzten Landschaften Südamerikas.
Cerrado Brasilien
Landschaft im Nationalpark Serra da Canastra ( mailsonpignata / Depositphotos.com )

Was macht den Cerrado so besonders?

Stell dir eine endlose Savanne vor, durchzogen von kristallklaren Flüssen, dramatischen Felsformationen und einer Tierwelt, die dich ins Staunen versetzen wird.

Der Cerrado erstreckt sich über gigantische zwei Millionen Quadratkilometer – das sind etwa 21 bis 24 Prozent der brasilianischen Landfläche. Damit ist sie nach dem Amazonas-Regenwald das zweitgrößte Biom des Landes.

Die Region umfasst zentrale Hochlandstaaten wie Goiás, Mato Grosso, Mato Grosso do Sul, Tocantins, Maranhão, Piauí, Bahia, Minas Gerais, den Bundesstaat São Paulo, Paraná und den Bundesdistrikt.

Darüber hinaus gibt es kleinere Cerrado-Anteile in Rondônia sowie isolierte Enklaven in Amapá, Amazonas, Pará und Roraima.

Hier entspringen drei der wichtigsten südamerikanischen Flusssysteme: der Amazonas, der Paraguay-Paraná und der São Francisco. Nicht umsonst trägt der Cerrado den poetischen Namen »Geburt der Wasser« – er liefert rund 14 Prozent aller brasilianischen Oberflächengewässer.

Die biologisch reichste Savanne der Welt

Der World Wide Fund for Nature (WWF) bezeichnet die Cerrado als das »biologisch reichste Savannenökosystem der Welt« – und das ist keine Übertreibung. Die Zahlen sprechen für sich: Hier wachsen zwischen 10.000 und 12.000 Pflanzenarten, von denen etwa 45 Prozent nur in dieser Region vorkommen.

Darunter finden sich der Pequi-Baum, dessen Früchte in der lokalen Küche eine wichtige Rolle spielen, und das »Goldene Gras«, aus dem traditionelle Handwerkskunst entsteht.

Die Tierwelt ist mindestens genauso beeindruckend: Über 800 Vogelarten, rund 200 Säugetierarten, bis zu 180 Reptilien, 150 Amphibien und rund 1.200 Fischarten nennen die Cerrado ihr Zuhause – insgesamt über 2.600 Wirbeltierarten.

Allein zwischen 1998 und 2008 wurden hier 347 neue Wirbeltierarten entdeckt und beschrieben: 222 neue Fischarten, 40 Amphibien, 57 Reptilien und 27 Säugetiere – und das in nur zehn Jahren!

Die Stars der Savanne

Wenn du durch den Cerrado reist, hältst du vielleicht Ausschau nach dem Mähnenwolf – Südamerikas größtem Wildhund mit seinem charakteristisch rostfarbenen Fell und den langen Beinen.

Oder du hoffst auf eine Begegnung mit einem Jaguar, einem Riesenameisenbären oder dem imposanten Riesen-Gürteltier. Für Vogelliebhaber ist die Region ohnehin ein absolutes Paradies.

Cerrado Region Brasilien
Die wunderschöne Landschaft des Cerrado in Brasilien ( vitormarigo / Depositphotos.com )

Leben im Rhythmus von Feuer und Trockenheit

Der Cerrado ist ein Ökosystem der Extreme. Von Oktober bis April fällt der Großteil des Jahresniederschlags, während die restlichen Monate knochentrocken sind.

Die Pflanzen haben sich genial angepasst: Mit ihren tiefen Wurzelsystemen erreichen sie das Grundwasser und speichern Feuchtigkeit im unterirdischen Gewebe.

Feuer gehört hier zum natürlichen Kreislauf – etwa 95 Prozent der Biomasse in den Gras- und Krautschichten sind brennbar, und die Vegetation hat sich über Jahrtausende so entwickelt, dass sie mit diesen Bränden leben kann.

Die Landschaft variiert von offenen Graslandschaften über Buschsavannen bis hin zu geschlossenen Wäldern und Galeriewäldern entlang der Flüsse, die als Rückzugsorte vor dem Feuer dienen.

Ein Ökosystem in Gefahr

Jetzt kommt der traurige Teil: Etwa 47–54% der Cerrado-Fläche sind noch natürlich bewaldet, aber nur etwa 20% davon befinden sich in gutem Erhaltungszustand. Weniger als 3% stehen unter starkem rechtlichem Schutz.

Zwischen 1985 und 2020 verschwanden etwa 26,5 Millionen Hektar – eine Fläche größer als Ecuador. In den letzten fünf Jahrzehnten ist rund die Hälfte der ursprünglichen Vegetation verloren gegangen, und die Entwaldungsraten sind mittlerweile höher als im Amazonasgebiet.

Die Hauptschuldigen? Großflächige Viehwirtschaft und Monokulturen – vor allem Soja, Mais und Baumwolle. Diese Umwandlung setzt jährlich etwa 230 Millionen Tonnen Kohlenstoff frei, was den Emissionen von rund 50 Millionen Autos entspricht.

Die Folge: In den trockenen Monaten ist es heute bis zu vier Grad Celsius wärmer als in den 1960er-Jahren.

Die Menschen des Cerrado

Insgesamt leben rund 20 Millionen Menschen in der Region, davon etwa 100.000 Indigene und traditionelle Gemeinschaftsmitglieder aus etwa 83 ethnischen Gruppen wie die Karajá und Xavante. Hinzu kommen traditionelle Gemeinschaften wie die Quilombolas – Nachkommen entflohener versklavter Afrikaner – sowie Geraizeiros und Babaçu-Nussknackerinnen.

Insgesamt gibt es über 200 indigene Gebiete mit zusammen 9,6 Millionen Hektar, die oft die größten intakten Naturschutzgebiete beherbergen.

Diese Gemeinschaften sind die wahren Hüter des Cerrado. Sie praktizieren nachhaltige Landwirtschaft und traditionelle Lebensweisen, die im Einklang mit dem Ökosystem stehen.

Besonders bemerkenswert ist die Rolle der Frauen in der Familienlandwirtschaft und im traditionellen Handwerk.

Warum du den Cerrado besuchen solltest

Für naturbegeisterte Reisende bietet der Cerrado einzigartige Erlebnisse:

Wildlife-Safaris: Mähnenwölfe, Jaguare, Riesenameisenbären und Hunderte von Vogelarten warten darauf, entdeckt zu werden.

Atemberaubende Landschaften: Rollende Savannen treffen auf dramatische Felsformationen, Wasserfälle wie die Casca D’Anta im Serra da Canastra Nationalpark und kristallklare Flüsse.

Luxus-Ökotourismus: Lodges wie die Pousada Trijunção verbinden gehobenen Komfort mit authentischen Naturerlebnissen.

Nationalparks: Der Parque Nacional das Emas und der Parque Nacional Grande Sertão Veredas bieten gut erschlossene Möglichkeiten zur Erkundung.

Kulturelle Begegnungen: Triff indigene Völker und traditionelle Gemeinschaften und lerne ihre Lebensweise kennen.

Mehrere spezialisierte Reiseanbieter haben inzwischen Pakettouren entwickelt, die oft den Cerrado mit dem benachbarten Pantanal kombinieren.

Die Zukunft steht auf dem Spiel

Wenn die unkontrollierte Agrarexpansion so weitergeht, könnten bis 2030 Dutzende Millionen Hektar zusätzlicher Cerrado-Vegetation verschwinden. Das wäre nicht nur eine Katastrophe für die Artenvielfalt, sondern auch für Brasiliens Wassersicherheit und das globale Klima.

Dein Besuch im Cerrado ist mehr als nur eine Reise – er ist eine Chance, eines der außergewöhnlichsten Ökosysteme der Erde kennenzulernen, bevor es möglicherweise zu spät ist. Und wer weiß, vielleicht trägst du durch verantwortungsvollen Ökotourismus sogar ein kleines Stück zu seinem Erhalt bei.